Martins key.matiq-Blog

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Gendern

Geschrieben: 14.07.2021
Letzte Überarbeitung: 02.10.2023
Stichwörter: Grundsätze

Das Problem

Wer Software für andere schreibt, muss diese auch erklären können, wendet sich also an Menschen und hat die Verantwortung1, die dafür gewählte Sprache zu hinterfragen und diskriminierungsfrei zu wählen.

Wie diskriminierend Sprache sein kann, habe ich einmal als Betriebsratsmitglied eines Softwareunternehmens erlebt, als wir einen Brief eines Geschäftsführers erhielten, der mit

Meine Herren,

begann. Wir waren damals sechs Männer und eine Frau im Betriebsrat, was der Geschäftsführer auch wusste. Es war ein bewusster Affront.2

In diesem Fall wäre die Anrede "Meine Dame, meine Herren" sicherlich besser gewesen. Doch wie steht es z. B. um das key.matiq-Handbuch, in dem sehr oft von einer Person die Rede ist, die key.matiq benutzt? Wie um die AGB, wie um die anderen Infoseiten, zu denen auch dieser Blog gehört?

Sollen wir dann jedes Mal "der/die Nutzer/-in" schreiben, wie es nach der amtlichen Rechtschreibung wohl kürzeste Form wäre? Oder doch nur "den Nutzer" ansprechen und uns damit mit dem oben genannten Geschäftsführer auf eine Stufe stellen? Sollen wir "Nutzer*in", "Nutzer/-in", "Nutzer:in" oder "Nutzer_in" oder "NutzerIn" schreiben? Und sollen wir als Artikel "der bzw. die", "der/die", "derDie" oder einfach nur "der" oder nur "die" schreiben? Wie werden solche Ausdrücke dann dekliniert, wie werden die darauf bezogenen Pronomen gewählt? Wie sieht das bei einer bzw. einem "Sachverständigen" (die bzw. der ja weiblich oder männlich sein kann) aus? Und wie müssen wechselnde Wortstämme wie bei Kunde/Kundin behandelt werden? Darf man "Kund/-in" oder "Kund*in" schreiben oder muss es "Kunde/Kundin" bzw. "Kunde*Kundin" heißen"?

Entwickelt sich eine gendergerechte Schreibweise letztentlich zu einem Sprachungetüm? Fühlt sich die Leser/-in, die wir doch nur respektvoll behandeln wollten, schlussendlich nur noch vollgegendert?

Dies alles sind Detailprobleme, auf die alle Autor/-innen, die sich um eine geschlechtsgerechte Sprache bemühen, bald kommen und oft an ihnen verzweifeln. Aber wer sich an einer komplexen Aufgabe wie key.matiq schon nicht die Zähne ausgebissen hat, lässt sich von solchen Dingen nicht so schnell ins Boxhorn jagen und sollte auch für diese eine angemessene Lösung finden können.

Wer programmieren kann, sollte auch eine konsistente, einleuchtende Schreibweise finden können. Wer Look&Feel bei Benutzerschnittstellen (Oder sollte es Be­nut­zer/-​in­nen­schnitt­stel­len heißen?) entwickeln kann, dem sollte es auch möglich sein, geschlechtsgerecht, aber auch lesbar zu schreiben und ohne den Fokus auf die Sache zu verlieren. Nur wie?

Das Ziel

Ein gängiger Fehler beim Umgang mit Problemen ist, die Wege zum Ziel anzugehen, bevor das Ziel selbst klar benannt ist. Definieren wir also unser Ziel:

Wir bemühen uns um eine gendergerechte Schreibweise, weil wir allen unseren Kundinnen und Kunden gerecht werden wollen. Dazu gehören selbstverständlich auch Intersexuelle und Transpersonen. Gleichzeitig versuchen wir, auch die Texte einigermaßen flüssig lesbar zu gestalten. Sie sind ja inhaltlich oft schon schwierig genug.3

Sollten Digital Natives nach dem Lesen eines Blog-Artikels über Passwortsicherheit hauptsächlich "Gender mich nicht voll!" denken, dann hätte ich sicher etwas falsch gemacht. Wenn sich aber immer wieder mal Leserinnen oder Transpersonen durch den Artikel persönlich nicht angesprochen (oder gar abgestoßen) fühlen, obwohl sie das Thema eigentlich interessiert, hätte ich wohl ebenfalls einen groben Fehler begangen.

Wir haben also widerstreitende Aspekte zu beachten, die in ihrer Priorität zu gewichten sind. Wir werden es nicht allen hundertprozentig recht machen können, aber es sollte möglich sein, einen praktikablen Kompromiss zu finden, mit dem jede und jeder leben kann, der an der Sache (Texte zu key.matiq und zur Passwortsicherheit, die die Lesenden nicht vor den Kopf stoßen4) interessiert ist.

Lösungsmöglichkeiten

  • (Als einfachste Lösung erscheint zunächst, die bisherige maskuline Schreibweise beizubehalten und mit dem Hinweis zu versehen, dass damit auch Frauen und nicht-binäre Personen gemeint seien. Leider scheidet diese Lösung sofort aus, siehe Anmerkung5.)
  • Möglich wäre eine geschlechtsübergreifende Verwendung femininer Formen. Sie hätte eine gewisse Provokanz und würde daher dazu führen, dass ein Hinweis, damit seien "natürlich" auch alle anderen mitgemeint, nicht so leicht überlesen werden würde. Die Provokanz würde aber auch die Lesbarkeit der Texte, also die Konzentration auf die Sache, gefährden. Außerdem geht die öffentliche Diskussion in eine andere Richtung, d. h. diese Lösung hätte im Deutschen kaum Chancen irgendwann normengerecht zu werden.6
  • Man kann Texte so formulieren, dass sie im herkömmlichen Stil alle Personen ansprechen. Die Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" ist ein Beispiel dafür. Texte durchgängig so zu formulieren, ist aber sehr aufwändig und beeinträchtigt bei technischen und juristischen Texten auch die Lesbarkeit.7 Auch klingen stereotype Bezeichnungen und Anreden von "Kolleginnen und Kollegen" oder "Soldatinnen und Soldaten" durchaus nicht respektvoller als die von "Kolleg*innen" oder "Soldat*innen".8
  • Nehmen wir "Nutzerinnen" und "Nutzer": Man kann mit den paarigen Kurzformen "Nutzer/-innen", "Nutzer*innen", "NutzerInnen", "Nutzer:innen" oder "Nutzer_innen" geschlechtsgerecht aber verkürzt formulieren. Die Schreibweise "Nutzer/-innen" ist davon die umständlichste, aber derzeit einzige von der amtlichen Rechtschreibung akzeptierte Form.

Die letzte Möglichkeit (die mit den paarigen Kurzformen) hat einen gewissen Charme. Ich würde jetzt nicht die holprige ".../-innen"-Lösung bevorzugen, eher das Gendersternchen, da dieses auch die nicht-binären Personen explizit mit einschließt.9 Allerdings konnte sich der Rat für deutsche Rechtschreibung auch 2023 noch nicht durchringen, diese Möglichkeit in das offizielle Regelwerk aufzunehmen.10 Und es gibt tatsächlich einige Schwierigkeiten, die den Umgang damit (wie auch mit ".../-innen") erschweren.

Exkurs: Wie funktioniert das mit dem Gendersternchen?

Das Gendersternchen vereinigt eine maskuline und eine feminine Form zu einer einzigen paarigen Kurzform, die dann aber auch alle (d. h. auch intersexuelle und transsexuelle) Personen einschließen soll: Z. B. steht "Nutzer*in" für "Nutzer bzw. Nutzerin, aber auch alle anderen". Die beiden einzelnen Formen erhält man formal so:

  • Die erste, indem man ab dem Sternchen den Rest weglässt. D. h. die erste Form, die in "Nutzer*in" steckt ist "Nutzer.
  • Die zweite, indem man entweder bis zum Sternchen den Anfang weglässt, oder indem man nur das Sternchen weglässt. Bei "Arzt*Ärztin" müsste man "Arzt*" weglassen, um "Ärztin" zu erhalten, aber bei "Nutzer*in" reicht es, nur das Sternchen wegzulassen, um die zweite Form zu erhalten.
  • Pronomen und Artikel, die sich auf ein gegendertes Wort beziehen, werden ggf. auch gegendert und zwar so, dass jeweils die ersten Formen das gleiche Geschlecht haben und die zweiten Formen dann das andere. (Also z. B.: "Der*die Autor*in liest aus seinem*ihrem Buch.")
    Es ist also durchaus möglich, dass die erste Form feminin ist und die zweite maskulin, nur die Reihenfolge der Geschlechter muss dann bei allen auf einander bezogenen gegenderten Worten (jeweils innerhalb des jeweiligen Ensembles) gleich sein. Zwischen nicht aufeinander bezogenen Worten kann die Geschlechter-Reihenfolge aber wechseln:
    Der*die Autor*in liest aus seinem*ihrem Buch. Jede*r im Publikum sitzt auf ihrem*seinem eigenen Stuhl.
  • Bei der Pluralbildung könnte man denken, dass nun die beiden Formen einzeln in die Mehrzahl gebracht werden und dann über die paarige Kurzform verknüpft werden. Das funktioniert aber nur selten. Wenn über "die Nutzer*innen" (im Akkusativ) geredet wird, kann man das noch so sehen, aber bei "den Nutzer*innen" (im Dativ) sieht man: Hier wird einfach die gesamte paarige Kurzform "Nutzer*in" pluralisiert, denn sonst müsste von "den Nutzern*Nutzerinnen" gesprochen werden. Und die Pluralbildung scheint sich nach der zweiten Form zu richten, also analog zur Pluralbildug von "Nutzerin".11
  • Auch im Genitiv Singular gibt es Probleme: "das Mikrofon des Reporters bzw. der Reporterin" lässt sich, streng genommen, nur zusammenfassen mit "das Mikrofon des*der Reporters*Reporterin". Gendernde Autor*innen scheinen den Genitiv Singular zu meiden, denn ich habe weder dieses Konstrukt noch etwas wie "das Mikrofon des*der Reporter*in" gefunden.12

Quellen: Z. B.: scribbr.de, geschicktgendern.de, uni-bielefeld.de. (Dort werden vor allem Beispiele genannt, aus denen sich aber obige Regeln und Beispiele genau so ergeben.) Siehe auch Wikipedia: Gendergerechte Sprache, Abschnitt "Problemfälle bei Kurzformen".

Die Regel mit den beiden Formen, die sich aus einer paarigen Kurzform ergeben, ist sehr konsequent und lässt sich auch auf alle Problemfälle (z. B. Artikel, Pronomen) anwenden. Aber: Sie führt aber leider dazu, dass dann manche Texte doch recht aufgebläht erscheinen und kompliziert wirken. Bzw. der Umformulierungsaufwand, um diesen Effekt zu vermeiden, kann richtig hoch werden.

Schwierigkeiten mit dem Gendersternchen (und deren Behebung)

  • Bei wechselndem Wortstamm ("Arzt"/"Ärztin", aber auch "Kunde"/"Kundin") ist nach scribbr.de die Verwendung des Gendersternchens vor dem "in" nicht möglich: "Ärzt*in" würde nach der oben genannten Regel als "Ärzt bzw. Ärztin", "Kund*in" würde als "Kund bzw. Kundin" interpretiert. Aber weder "Ärzt" noch "Kund" sind richtig geschriebene Worte.
    geschicktgendern.de verlangt für so einen Fall "Ärztin*Arzt", lässt aber als Alternative dann doch auch die wesentlich einfachere Schreibweise "Ärzt*in" zu. (Also könnte man wohl auch "Kund*in" schreiben statt "Kundin*Kunde".)13
  • Artikel (die/der, eine/ein) und Pronomen (ihre/ihr, seine/sein, jede/jeder) sollen ebenfalls gegendert werden. Statt "die oder der" kann man "die*der" schreiben. Statt "jede und jeder" kann man "jede*r" schreiben.

Beim Wortstamm zeigt geschicktgendern.de, wie schon erwähnt, eine gute Alternative auf. Aber warum ist sie gut? Weil sie sich an das bisherige Sprachgefühl anpasst: "Ärzt*in" klingt weiblich, ist es aber nicht und kann genau deshalb14 auch so stehen bleiben (anstatt kompliziert in "Ärztin*Arzt" gewandelt zu werden).

Warum das nicht einfach bei den Pronomen und Artikeln analog handhaben? Wenn das gegenderte entscheidende Wort15 im Subjekt bzw. Objekt des Satzes feminin klingt (also z. B. "Nutzer*in") kann man doch einfach großzügig die weibliche Form von Artikeln und Pronomen verwenden. Klingt das gegenderte entscheidende Wort eher männlich, wäre bei den zugehörigen Artikeln und Pronomen dann die maskuline Form angemessen. Also "ein Gelehrte*r" statt "eine*ein Gelehrte*r".

genderleicht.de empfiehlt, den Singular bei Personen komplett zu meiden, um das Gendern von Artikeln zu vermeiden. Diese Umschiffung ist aber, wenn von "der Nutzer*in" (anstatt von "dem*der Nutzer*in") gesprochen wird, gar nicht mehr nötig und wäre auch völlig indiskutabel: Das Handbuch von key.matiq wendet sich immer konkret an eine Person, die sich ja ganz alleine in ihrer Box angemeldet hat. Alles andere wäre gestelzt und konstruiert und würde den Text- und Denkfluss behindern. (Es gibt den Singular im Deutschen nicht ohne Grund. Ihn bei Personen immer vermeiden zu wollen, ist gewiss kein allgemeingültig guter Weg.16)

Sowohl die Auswahl eines Wortstamms als auch die eines Pronomens, so dass der Sprachfluss möglichst wenig gestört wird (anstatt Aufzählungen einzuführen), sind gar nicht so neu. Wenn man z. B. schreibt: "Das Mädchen, es ..." orientiert man sich auch nur einfach am Sprachfluss. Und bei "Das Bübchen, es ..." wäre es genau so.17

Was ich hier vom "Sprachgefühl" her unpräzise formuliert habe, könnte man durchaus auch als strenge formale Regel fassen: "Wortstamm, Artikel und Pronomen müssen im Geschlecht mit der zweiten Form des gegenderten Worts, auf das sie sich beziehen (bzw. der Endung nach dem Gendersternchen), zusammenpassen." Z. B. ist diese Regel erfüllt im Satz: "Die Ärzt*in holt ihre Tasche." Und auch der obige Satz mit der "Autor*in" wird einfacher: "Die Autor*in liest aus ihrem Buch."

Und genauso ließen sich der Genitiv im Singular und der Dativ im Plural sauber fassen: Die Endung vor dem Sternchen wird nicht dekliniert, wohl aber die nach dem Sternchen, d. h. der gesamten Kurzform wird eine Endung verpasst und diese richtet sich nach dem Geschlecht der zweiten Form: Also im Genitiv Singular "das Mikrofon der Reporter*in" und im Dativ Plural sprechen wir dann einfach von "den Reporter*innen".

Grundsätzliche Regel: der Genus von Pronomen und Artikeln, die sich auf eine paarweise Kurzform beziehen und die Deklination der paarweisen Kurzform selbst richtet sich nach dem Genus der zweiten Form (bzw. der Endung nach dem Gendersternchen).

In unseren Infoseiten kommen tausende Stellen (ich habe es vom Computer nachzählen lassen) vor, in denen natürliche Personen (sehr oft auch im Singular) angesprochen werden und deshalb die entsprechenden Bezeichnungen gegendert werden müssen. Jedes Mal dort die Artikel und Pronomen doppelt aufzuführen, wäre nicht nur für die Schreiberin bzw. den Schreiber18 unerträglich, sondern auch für die lesende Person.

Können wir das so machen?

Bis hierhin kristallisiert sich heraus: Die Schreibweise mit dem Gendersternchen scheint die einfachste Lösung zu sein, die sich mit unseren Zielen und Prioritäten vereinbaren lässt. Allerdings nur, wenn sie vereinfacht angewendet wird:

  • Bei wechseldem Wortstamm wird, wenn das Gendern auf "*in" (oder "*innen") erfolgt (also die zweite Form feminin ist), der feminine Wortstamm verwendet und, wenn es auf "*r" erfolgt (genauer die zweite Form maskulin ist), der maskuline. Beispiele: "Kund*in", "Gelehrte*r"
  • Entsprechend werden Artikel und Pronomen nicht gegendert, wenn sie sich auf ein bereits gegendertes Substantiv (bzw. ein anderes Pronomen) beziehen. Es wird dann das Geschlecht der zweiten Form genommen, d. h. das weibliche wenn das Gendern auf "*in" erfolgte, das männliche, wenn es auf "*r" ging. Beispiele: "Die Kund*in", "ein Gelehrte*r", "jede Nutzer*in", "ein jeder Sachverständige*r", "jede*r Sachverständige"19.

Was könnte aber noch gegen diese Lösung sprechen?

Die beschriebene Vorgehensweise könnte vielleicht als ein Verstoß gegen unser Ziel einer normengerechte Lösung aufgefasst werden. Doch eine normengerechte Lösung ist ohne Verstoß gegen höherrangige Ziele ohnehin nicht möglich. Außerdem, wer sagt denn, dass – nachdem sich der Rat für deutsche Rechschreibung – ohnehin Zeit lässt und die Entwicklung beobachten will, er sich nicht letztlich genau auf unsere Lösung einlassen wird.

Es kann sein, dass sich Männer befremdet fühlen, weil häufiger auf "*in" gegendert wird, als auf "*r". Allerdings sollten Männer, die früher immer meinten, die Frauen wären "natürlich" mit eingeschlossen, dies leicht ertragen können. Sie sind natürlich immer mit eingeschlossen.

Der Kompromiss mit dem nach der Klangform des gegenderten Substantivs gewählten (beispielhaften) Artikel oder Pronomen könnte einigen zweifelhaft erscheinen. Aber die Regel ist klar und schließt deutlich (über das gegenderte Substantiv) alle Geschlechter mit ein. Die üblicherweise vorgeschlagenen Alternativ-Lösungen wie

der*die Kund*in ... er*sie

oder

der oder die Kund*in ... er oder sie

sind jedoch so umständlich, dass wir diese nicht akzeptieren können.

Das Argument, das vom belgischen Vertreter im Rechtschreibrat gegen die Schreibweise mit Gendersternchen aufgebracht wurde, erscheint mir dagegen sehr befremdlich: Weil im Niederländischen und Französischen es das Sternchen als Sonderzeichen nicht gäbe, würde die Einführung des Gendersternchens im Deutschen enorme Probleme den Übersetzungsdiensten in Belgien bereiten. Ich denke, dass es vielleicht eine Herausforderung wäre, aber das ist doch genau die Aufgabe von Übersetzungsdiensten, von einer Sprache das Gemeinte in eine andere zu übertragen. Sollen die doch dann einfach nur ihre Arbeit machen!20

Abkürzungen

In der Wikipedia sind die Argumente der Gesellschaft für deutsche Sprache bezüglich der Problematik von Kurzformen für paarige Personenbezeichnungen gut zusammengefasst. scribbr.de zeigt aber Regeln auf, die insbesondere Wortstammänderungen, Artikel und Pronomen beachten und konsequent umsetzen. ("Nutzer*in" steht für "Nutzer bzw. Nutzerin", aber "Arzt bzw. Ärztin" kann nur durch "Arzt*Ärztin" zusammengefasst werden.)

Die von uns verwendete Schreibweise kürzt aber einfach nochmals ab: Aus "der*die Arzt*Ärztin" wird "die Ärzt*in", aus "eine*ein Sachverständige*r" wird "ein Sachverständige*r". Nur "der*die Sachverständige" wird nicht weiter abgekürzt. Dafür können dann auch problemlos die paarweisen Kurzformen dekliniert werden: "das Mikrofon der Reporter*in" wird reden im Plural zu "die Mikrofone der Reporter*innen".

Die Regeln dafür sind in diesem Artikel bereits erläutert. Sie sind sowohl formal streng konsequent aber auch intuitiv erkennbar. Das Ergebnis ist lesbar und erfüllt seinen Zweck. (Jede*r versteht sofort, wer mit der Kund*in gemeint ist.) Wo also ist da noch ein Problem?

Fazit

Ich denke, dass die beschriebene Lösung das Ziel bestmöglich erreicht: Den Hintergrund von Texten bereinigen, die Dauerberieselung mit sexistischer Diskriminierung vermeiden, ohne den Vordergrund, nämlich die Kernaussagen in den Texten, allzusehr zu beeinträchtigen.

Nicht zufällig ähnelt unsere Lösung dem "naiven Gendern", bei dem man sich über Wortstamm, Artikel und Pronomen noch gar keine Gedanken macht. Ich freue mich, dass nach vielen Gedanken über Spezialfälle sich schließlich doch eine minimalinvasive Lösung (also der spontanen, naiven gar nicht so unähnliche) konsistent begründen lässt.21

 

1) Der Philosoph Amartya Sen weist darauf hin, dass Menschenrechte wegen Ihrer anerkannten Wichtigkeit auch für alle die Pflicht bedeuten, sich der Frage nach erforlicher Eigeninitiative zu stellen: "Menschenrechte anzuerkennen bedeutet nicht, darauf zu bestehen, das alle Menschen sich aufmachen, um überall jede Verletzung eines Menschenrechts zu verhindern. Vielmehr wird damit anerkannt, dass jeder, der in der Lage ist, wirksam zur Prävention einer solchen Menschenrechtsverletzung beizutragen, einen guten Grund hat, dies auch zu tun – einen Grund, der bei der Entscheidung, was zu tun ist, ins Gewicht fallen muss. Es ist immer noch möglich, dass andere Verpflichtungen oder nicht verpflichtende Sachverhalte den Grund für die fragliche Aktion überwiegen, aber man kann ihn nicht einfach mit der Bemerkung 'Das geht mich nichts an' beiseite schieben. Hier liegt eine allgemeingültige ethische Forderung vor, aber keine, aus der sich automatisch bedingungslose schematische Aktionen ergeben." (Amartya Sen, "Die Idee der Gerechtigkeit", dtv 2017, 4. Aufl. 2020, ISBN 978-3-423-34923-9, S. 100)

Das Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache ist also nicht zwingend, aber es ist schon zwingend, sich, wenn man darauf stößt, mit dem möglichen Erfordernis ehrlich auseinanderzusetzen.

2) Es gab da gar keinen Zweifel, das Schreiben war eindeutig: Es wandte sich an alle Betriebsratsmitglieder, mit Ausnahme der einen Frau. Es gab keinen Betriebsausschuss, den der Herr Geschäftsführer hätte meinen können. Hätte sich das Schreiben an den damaligen BR-Vorsitzenden richten sollen, hätte er den Singular wählen müssen. Das weibliche Betriebsratsmitglied war zudem Schriftführerin, hatte also im BR eine herausgehobene Position. Die Kollegin dennoch zu ignorieren, konnte nur sexistisch motiviert gewesen sein. (Diese Annahme passt im Übrigen auch zu sonstigen Erfahrungen mit diesem Herrn.)

3) Genauer geht es uns um folgende (der Wichtigkeit nach gereihte) Aspekte:

  • Geschlechtsgerechte Sprache, keine Diskriminierung,
  • Lesbare Texte
  • Einheitlicher Stil für key.matiq.com (und auch für matiq.com)
  • Handhabbare Lösung (d. h. der Aufwand muss beim Schreiben noch vertretbar sein, z. B. sollte es nicht notwendig sein, für die Umformulierung von AGB oder Datenschutzhinweisen juristische Hilfe hinzuzuziehen),
  • Möglichst normengerechte Lösung, zumindest so, wie es alle oder die meisten machen. Wenn das nicht geht, dann doch wenigstens "gefühlt" so, wie es alle machen.

4) Da es aber Leute gibt, die das Ziel, geschlechtsgerecht zu schreiben, völlig ablehnen und die selbst kein Problem damit haben, mit dieser Haltung andere vor den Kopf zu stoßen, werden wir wohl nicht umhin kommen, diesen Leuten dann doch vor den Kopf zu stoßen. Wenn wir nur die Wahl haben, Leuten mit einer bornierten Haltung (für diese ja selbst verantwortlich sind) vor den Kopf zu stoßen oder Frauen und nicht-binären Menschen (nur weil sie so sind, wie sie sind), wählen wir dann doch lieber Ersteres.

5) Diese "geschlechtsübergreifende Verwendung maskuliner Formen" wird in der öffentlichen Diskussion immer mehr abgelehnt, zumal es zahlreiche Vorschläge für sprachliche Alternativen gibt.
Für problematisch halte ich in diesem Zusammenhang, dass Internettexte oft gar nicht sequentiell gelesen werden, dass also ein allgemeiner Hinweis ("Frauen und nicht-binäre Personen sind mitgemeint") oft gar nicht wahrgenommen würde. (Wollte man eine Fußnote bei jeder Verwendung einer maskulinen setzen, könnte man besser gleich das Gendersternchen verwenden.) Ich denke daher, dass diese "Lösung" ausscheidet.

6) Für die englische Sprache ist dagegen diese Lösung bereits durchaus üblich. Es gibt für diese Sprache bezüglich der Gendergerechtigkeit wenig Bedarf für eine formale Umgestaltung (da Substantive und Artikel ohnehin geschlechtsneutral sind), aber durchaus in ihrem Verbreitungsgebiet Geschlechterdiskriminierung. Lediglich bei Personalpronomen (he/she, her/his, her/him) wird das Geschlecht der beschriebenen Person erwähnt. Wenn nun beispielhaft von einer Person die Rede ist, deren Geschlecht zwar keine Rolle spielen sollte, es aber dennoch tut (wie z. B. in IT-Berufen, in denen Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind22), nutzen viele Autorinnen und Autoren gerne weibliche Pronomen. Ich denke, dass sie das tun, um gendergerecht zu schreiben und natürlich auch die Männer mitmeinen. Bei denen, die maskuline Pronomen verwenden, wenn sie von Menschen schreiben, die in männerdominierten Berufen arbeiten, bin ich mir dagegen nicht ganz so sicher.
Jedenfalls scheint die geschlechtsübergreifende Verwendung femininer Formen für englische Texte optimal zu sein, um eine geschlechtsgerechte Sprache zu erzielen. Denn in dieser Sprache ist diese Form minimalinvasiv, wirkt daher kaum provokant und beeinträchtigt deshalb auch nicht die Lesbarkeit.

7) Nehmen wir z. B. § 2 Punkt 2 unserer AGB. Dort müssten wir dann statt

Kund*innentyp: "Verbraucher*in" oder "Unternehmer*in"

schreiben:

Kundinnen- bzw. Kundentyp: "Verbraucherin" bzw. "Verbraucher" oder "Unternehmerin" bzw. "Unternehmer"

Juristische Texte sind ohnehin schon schwierig. Eine unnötige Aufblähung des Textes würde die Lesbarkeit erheblich mindern.

8) Man hört viel von "Kolleginnen und Kollegen" auf Mai-Veranstaltungen. Doch dies wird im Eifer der Reden dann oft so schnell daher genuschelt, so dass die Worte "Kolleginnen" und "Kollegen" sich nahezu gleich anhören. Auch wenn der Vorsitzende des Reservistenverbands Patrick Sensburg von "Reservistinnen und Reservisten" spricht, hört sich das ähnlich an (gehört am 20.07.2023 im ARD-Morgenmagazin). Das ist durchaus jedesmal respektvoll gemeint, aber natürlich zwingt die Konzentration auf die Sache zur Eile bei solch langen Formulierungen. Da würde ein einfach, aber langsamer gesprochenes Wort "Kolleg*innen" oder "Reservist*innen" einfach besser klingen!

9) Das Gendersternchen ist am verbreitesten. Vorteile von anderen Zeichen kann ich nicht erkennen. Wenn z. B. für die Schreibweise mit Doppelpunkt ":" argumentiert wird, dies wäre für die Barrierefreiheit wichtig, weil Screenreader das Zeichen "*" explizit als "Sternchen" vorlesen, während sie beim Doppelpunkt eine Pause einlegen, so ist das einfach Quatsch: Die Screenreader haben sich den Schreibweisen anzupassen, (d. h. das Gendersternchen ist als Pause vorzulesen) und nicht umgekehrt. Es ist weitaus leichter alle Screenreader umzuprogrammieren (oder alte durch neue zu ersetzen), als allen Menschen eine neue Schreibweise beizubringen.

10) Siehe www.tagesschau.de, 15.07.2023,

In dem Artkel gibt es ein Interview mit Josef Lange, Vorsitzender des Rates für Deutsche Rechtschreibung. Josef Lange sagte dort, er wisse nicht, wie er mit Gendersternchen den folgenden Satz zu Ende führen solle: "Es geht um die Position des*der Präsident*in, die oder der ...". Sein Zitat hörte bei "..." auf. Er sagte nur noch: "Ich weiß es nicht." Es wäre jetzt hilfreich gewesen, falls Herr Lange zumindest gesagt hätte, was denn der Satz ausssagen sollte. Aber ich versuche es trotzdem:

  • sollte sich "die oder der" auf die Position beziehen, so müsste er statt "die oder der" einfach "die" sagen (oder schreiben).
  • sollte sich "die oder der" auf den*die Präsident*in beziehen, so sollte er "der*die" schreiben (um konsistent in der Schreibweise zu bleiben).

Ich denke, die Verwirrung bei Herrn Lange hat einfach ihre Ursache darin, dass die Regeln noch vielerorts beschrieben und nicht ganz einheitlich sind. Und auch darin, dass sie noch zu holprig und zu kompliziert sind. Mit diesem Blog-Artikel möchte ich jedoch auch aufzeigen, dass es wesentlich einfacher geht. (Ich denke, mit den von mir im weiteren Verlauf des Artikels genannten Vereinfachungen, könnte sich vielleicht auch Herr Lange mit dem Gendersternchen anfreunden.)

Außerdem übersieht Herr Lange, dass seine Schwierigkeit gar nichts mit dem Gendersternchen zu tun hat, sondern von dem Versuch, alles paarig ausdrücken zu wollen, herrührt. Es ist egal, ob man das Gendersternchen dafür verwendet, oder "bzw." oder "oder" oder "/-". Wenn man nicht nur für jedes eine natürliche Person (unbestimmten Geschlechts) bezeichnendes Substantiv eine paarige Kurzform verlangt, sondern auch für Artikel und Pronomen, die sich darauf beziehen, werden die Sätze schnell unübersichtlich.

11) Bei "Nutzer" wird für die Pluralbildung im Dativ ein "n" angehängt, bei "Nutzerin" ein "en". Aber es wird immer "Nutzer*in" zu "Nutzer*innen" pluralisiert, nie "Nutzern*Nutzerinnen". genderleicht.de diskutiert (bei der Dativ-Pluralisierung) eher ein "n" vor dem Stern einzufügen, also "Nutzern*innen", schreibt dann aber, man solle das besser lassen, weil es sich komisch lese. (Tatsächlich wird dies für den Satz "... sie gab den Reportern*innen Auskunft." diskutiert.)

Hier sieht man, das intuitiv die Deklination nach der zweiten Form (in diesem Fall der weiblichen) abläuft. Mir gefällt diese pragmatische Lösung, ich komme im weiteren Verlauf des Artikels darauf zurück.

12) Letzteres ("des*der Reporter*in) wäre aber nicht schlecht. Es wäre durchaus analog mit der laxen Dativ-Plural-Form "den Reporter*innen" vergleichbar.

13) Da weicht geschicktgendern.de von anderen Quellen ab. Aber diese Abweichung ist so eingängig, dass ich sie dennoch aufgreife. Ich denke, dieser Ansatz bietet den Schlüssel dafür, den Genderstern aus dem linguistischen Elfenbeinturm herauszuholen und erst wirklich praxistauglich zu machen. Natürlich brauchen die Linguistinnen und Linguisten auch klare Regeln und werden irreguläre Ausnahmen scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber wie ich im Folgenden zeige, wird es im Ergebnis gar nicht so viel komplizierter in der Theorie, dafür aber sehr viel einfacher in der Praxis.

14) Weil Schreibung und auch Aussprache (mit "Genderpause" für das Sternchen) eben deutlich machen, dass neben dem "weiblich klingen" tatsächlich alle Geschlechter gemeint sind, kann es genau so stehen bleiben. Weil es im Sprachfluss zufällig ähnlich wie die weibliche Form klingt (bei einem "Gelehrte*n" wäre es ebenso zufällig die männliche Form) erscheint das auf Dauer auch gar nicht so fremd und umständlich wie andere Schreibweisen.
Die eine oder der andere mag vielleicht den Kopf schütteln über das Wort "klingen", aber bei Sprache ist immer viel Gefühl im Spiel. Wenn etwas ähnlich wie etwas anderes klingt, dann entstehen Assoziationen, es geht leichter von der Hand. Es lässt sich einfach leichter "die Nutzer*in" als "der*die Nutzer*in" schreiben oder auch vorlesen. Und der Zusatznutzen von "der*die" gegenüber "die" ist sehr beschränkt:

  • Die Schreibung "Nutzer*in" macht im Hauptwort doch bereits sehr deutlich, dass diese weiblich oder männlich sein kann. Warum es ein zweites Mal betonen?
  • Das doppelte Gendering in "Nutzer*in" und dann noch einmal im Artikel "der*die" wertet das Gendering eher ab: Um auf die Sache, die man eigentlich sagen möchte, nämlich, was die nutzende Person nun macht oder machen sollte, schnell zu kommen, wird dann in der Praxis "der*die Nutzer*in" tendenziell ungeduldig überflogen (oder eiligst vorgelesen). Weniger Worte, einfachere Ausdrücke sind also eher ein Gewinn.

Ich gebe zu, dass die Begründung für die Regel, einfach Wortstamm, Artikel und Pronomen je nach dem Gendern auf "*in" oder auf "*r" feminin oder maskulin zu wählen, nicht ganz einfach ist und auch viel Überlegung und einige Worte braucht. Aber: Diese Begründung muss man nur einmal verstehen und übernehmen. Dafür wird dann das Gendering dauerhaft einfacher (und bleibt gleichzeitig konsistent). Es lohnt sich also!

15) Ich habe leider keinen besseren Begriff gefunden. "Entscheidendes Wort" soll in diesem Artikel heißen: Ein Substantiv oder ein dafür stehendes Pronomen, das eine oder mehrere natürliche Personen bezeichnet.

Beispiele:

  • Es geht um die Position der Präsident*in, die ...
    (Das entscheidende Wort ist "Präsident*in")
  • Ein jede*r, der dies liest, ...
    (Das entscheidende Wort ist "jede*r")

"Entscheidend" ist dieses Wort hinsichtlich dessen, nach welchem Geschlecht es nach explizitem Gendern klingt und im Sinne der vorgeschlagenen Vereinfachung auch die darauf bezogenen Pronomen und Artikel gewählt werden sollten.

16) Ich muss mir an dieser Stelle mal Luft machen über Leute, die im Elfenbeinturm ihrer Wissenschaft sitzen und locker über die von ihnen zu verantwortenden Probleme der Praxis hinweggehen:

Die nötige Lösung verlangt konsistente Regeln und Definitionen, die eine einfache Anwendung ermöglichen, nicht eine komplizierte. Wenn das Gendersternchen bereits etwas vereinfacht (und auch verklart), dann sollte man sich nicht scheuen, es in die Grammatik einzubauen. Regeln kann man ändern. Aber: Keep it simple, stupid simple! Man sollte alles so einfach, wie möglich halten, nicht aber noch einfacher! Wenn man es sich selbst zu einfach macht (wie es die Sprachgelehrten derzeit tun), ruft man nämlich andere Schwierigkeiten (vor allem für andere) hervor.

Konkret: Singularformen zu meiden ist keine Lösung, auch diese müssen flüssig und geschlechtsgerecht in einem modernen Deutsch darstellbar sein. Schreibungen wie "der/die Nutzer/-in", aber auch "der*die Nutzer*in" stören den Lesefluss und müssen dringend verbessert werden. (Das Gendersternchen in der gemeinhin verwendeten Form bietet zwar etwas Vereinfachung, aber eben noch viel zu wenig. Und ist daher ohne weitere Verbesserung kaum praxistauglicher als die Schreibung mit "/-".)

Leider haben die Sprachgelehrten, die den Genderstern erfunden haben, hier nicht weiter gedacht, sondern kleben immer noch zu sehr am Althergebrachtem. Sie sehen nicht, dass die Kurzform mit dem Gendersternchen nicht einfach nur als Kurzschreibweise für zwei Worte aufgefasst werden muss, sondern auch als ganz neuer Ausdruck (im Sexus mit neutralem Geschlecht, im Genus aber mit dem der Endung nach dem Sternchen entsprechenden Geschlecht) angesehen und vor allem auch gefühlt werden könnte. Dann könnte man aber "die Nutzer*in" schreiben, also auf die Doppelschreibung von Artikeln und Pronomen verzichten, und alles würde viel einfacher. (Spricht oder schreibt man die Verfechter/-innen und Verteufler/-innen des Gendersternchen diesbezüglich an, erntet man nur Schweigen oder völliges Unverständnis, das sich dann in der Wiederholung der bekannten Positionen ausdrückt).

Aber ohne bessere Lösung landen wir entweder bei einer zwar gendergerechten, aber schwer zu lesenden Sprache, oder bei einer gendergerechten Sprache, die aber schwer zu schreiben ist (weil ständig irgendwelche Probleme zu umschiffen sind). Oder – was viel wahrscheinlicher ist – wir landen schließlich dann doch wieder in der diskriminierenden Sprache des generativen Maskulinums. Die Verweigerungshaltung der Fachleute ist also ausgesprochen destruktiv.

Wenn bezüglich der gendergerechten Sprache ein Standard derartig wenig zielführend ist wie die derzeitige amtliche deutsche Rechtschreibung und auch die populären Gegenvorschläge (ob mit Gendersternchen oder mit Doppelpunkt, mit Binnen-I oder mit Unterstrich) noch ausgesprochen mangelhaft sind, bleibt einfach keine andere Möglichkeit, als mit einem eigenen Gegenvorschlag aufzuwarten, der den gordischen Knoten durchschlägt: Deshalb könnten wir nicht nur "die Nutzer*in" schreiben, sondern tun es einfach (obwohl es keinen allgemeinen Regeln entspricht, wohl aber unseren eigenen, die wir in diesem Artikel vorstellen). In dem key.matiq-Handbuch und auf anderen Infoseiten wird jedenfalls an tausenden Stellen gezeigt, das unser Ansatz funktioniert, ohne von der Sache abzulenken.

Dieser Blog-Artikel sollte eben die einzige Stelle bleiben, wo wir uns sehr mit diesem sprachlichen Detail befassen. Danach sollte es wieder konzentriert um digitale Sicherheit gehen.

17) Beim "Mädchen" handelt es sich um eine weibliche Person, hat aber das neutrale grammatische Geschlecht. Der Genus von Pronomen und Artikel wurden also schon immer einfach von dem Genus des Hauptworts bestimmt, ganz ohne Geschlechterdiskriminierung. Denn: Beim "Bübchen" wird es genauso gehandhabt. Und eine "männliche Person" wird weiblich dekliniert, ohne dass darin jemand eine Herabwürdigung von Männern sehen würde.

18) In diesem Blog-Artikel habe ich mich, abgesehen von offensichtlichen Beispielen, bemüht, auf ein Gendern mit Sternchen zu verzichten, um das Thema ergebnisoffen zu diskutieren. Für alle Infoseiten so vorzugehen, wäre aber nicht machbar.

19) Da hier "Sachverständige" sowohl männlich als auch weiblich aufgefasst werden kann, ein explizites Gendern im Substantiv also nicht erfolgt, ist es im Pronomen "jede*r" noch erforderlich. Siehe auch Anmerkung23.

20) Wie Geschlechtsgerechtigkeit in einer Sprache ihren Niederschlag finden kann, muss doch jede Sprachgemeinschaft für sich herausfinden. (Siehe auch die Anmerkung6 zur Möglichkeit der geschlechtsübergreifenden Verwendung femininer Formen.) Und es liegt in der Natur der Sprachen, dass sie sich unabhängig (wenn auch nicht unbeeinflusst) voneinander entwickelt haben. Als Deutschsprachige sollten wir uns verbitten, dass fehlende Eigenschaften irgendeiner anderen Sprache den Ausschlag geben sollen, ob wir das Gendersternchen einführen oder nicht.

Um aber die Frage des Herrn Boullion, der für die Deutsche Gemeinde Belgiens an der Debatte des Rechtschreibrats teilnahm, konkret zu beantworten: Ein Satz, der im Deutschen mit Gendersternchen geschrieben ist, lässt sich immer in einen (etwas länglicheren) Satz im Deutschen übertragen, der ohne Gendersternchen geschrieben ist. Diesen kann man sicherlich ins Französische oder Niederländische übersetzen. Voilà! "Enorme Probleme" kann ich jedenfalls nicht erkennen.

21) Gemeinsamkeiten ergeben sich zum naiven Gendern mit Gendersternchen in

  • die Ärzt*in, die Kund*in, ein Sachverständige*r
    (Beim naiven Gendern wird das Problem des Wortstamms gar nicht gesehen. Bei unserer Lösung wird bewusst der weibliche Wortstamm gewählt. Beim naiven Gendern wird der Artikel unbewusst weiblich gewählt, bei unserer Lösung ganz bewusst. Die Genderregeln nach scribbr.de würden verlangen, "der*die Arzt*Ärztin, der*die Kunde*Kundin, eine*ein Sachverständige*r" zu schreiben.)

Im Unterschied zum naiven Gendern bietet unsere Lösung klare Regeln für den Umgang mit Ausnahmen auf, so dass

  • immer gendergerecht geschrieben werden kann und
  • durchgängige Regeln gelten

Ausnahmefälle, die unsere Lösung handhaben kann, an denen naives Gendern aber leicht verzweifelt:

  • Der*die Sachverständige öffnet sein*ihr Notebook.
    (Gendering von Artikel und Pronomen, da "Sachverständige" mit bestimmtem Artikel originär geschlechtsneutral ist. An dieser Stelle zeigt sich auch, dass die Schreibung "sein*ihr" durchaus mal nötig sein kan, aber eben nur in Ausnahmefällen. Das Gendersternchen ist hierfür auch besser geeignet als z. B. das Binnen-I, bei dem es dann umständlich "sein bzw. ihr" heißen müsste.24)
  • Ein Sachverständige*r öffnet sein Notebook.
    (Wahl von maskulinem Artikel und Pronomen, da die zweite Form von "Sachverständige*r", nämlich "Sachverständiger", maskulin ist.)

22) Siehe wollmilchsau.de, "Wo sind die Frauen in der IT-Branche?", Hedda Nier, 16. April 2021.

23) Die Ausnahme ist, wenn das entscheidende Wort schon ohne explizites Gendern geschlechtsneutral ist, aber zu diesem Artikel und/oder Pronomen in Bezug stehen. Beispiel:

Der*die Sachverständige nimmt sein*ihr Smartphone zur Hand.

Nur in solchen Fällen müsste evtl. mehr als ein Wort (pro personenbezogenes Objekt oder Subjekt) gegendert werden:

Bei dem Satz

Ein Sachverständige*r nimmt sein Smartphone zur Hand.

wird dagegen einfach nur das Substantiv gegendert (weil bei einem unbestimmten Artikel die maskuline Form des/der "Sachverständigen" unterschiedlich zur femininen ist).

24) Bei geschicktgendern.de fand ich allerdings für die Binnen-I-Schreibweise auch ein Beispiel, bei dem statt "der oder die" "derDie" geschrieben wird. Sicherlich ist das logisch und kompakt, erscheint mir ohne Trennzeichen (wie in der*die oder der/die) dann aber doch sehr befremdlich. Siehe geschicktgendern.de (Gängige Schreibweisen).


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